bandscheibenvorfall (discusprolaps)

 

BANDSCHEIBENVORFALL (DISKUSPROLAPS)

Aufbau der Wirbelsäule

Die Bandscheiben (lat. Discus intervertebralis) befinden sich zwischen den einzelnen Wirbelkörpern und bilden mit ihnen gemeinsam die Wirbelsäule. Der menschliche Körper besitzt 33 Wirbelkörper und 23 Bandscheiben. Keine Bandscheiben befinden sich zwischen dem Kopf und dem ersten Halswirbel, sowie zwischen den fünf miteinander verwachsenen Kreuzbein- und den vier (ebenso verwachsenen) Steißbeinwirbelkörpern. 

Durch die Bögen der Wirbelkörper wird der Wirbelkanal gebildet. In ihm befinden sich die Nerven sowie die Gehirnflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis), die von der Gehirnhaut (Dura mater) umgeben sind. Die Nerven treten als Bündel zwischen den einzelnen Wirbelkörpern aus und versorgen die Arme, den Rumpf und die Beine.

Becken und Wirbelsäule von hinten

Becken und Wirbelsäule von hinten

Die Halswirbelsäule besitzt 7 Wirbelkörper und weist die größte Beweglichkeit in Richtung Drehung (Rotation) auf. Die Brustwirbelsäule besitzt 12 Wirbelkörper und ist generell durch die Fixierung der 12 Rippen weniger beweglich. In der Lendenwirbelsäule befinden sich 5 Wirbelkörper. Sie bewegt vor allem gut in eine Seitneigung. Sowohl Dreh- als auch Seitwärtsbewegung sind ausschließlich durch das Vorhandensein der Bandscheiben möglich. Von der Seite betrachtet ist die Wirbelsäule unter optimalen Bedingungen doppelt S-förmig gekrümmt. Diese Form gibt der Wirbelsäule Stabilität und eine noch verbesserte Stoßdämpferfunktion. 

Aufbau einer Bandscheibe

Die Bandscheibe setzt sich zusammen aus einem fibrösen Bindegewebsring außen (Anulus fibrosus) und einem gallertartigen Kern innen (Nucleus pulposus). Der Kern saugt sich mit Flüssigkeit an und bedingt dadurch die Höhe der Bandscheibe. Seine Hauptfunktion ist die Stoßdämpfung, während der Faserring für eine optimale Kraftverteilung in alle Richtungen sorgt. Auch sind die Bandscheiben dafür verantwortlich, dass die Wirbelsäule in alle Richtungen so beweglich und flexibel ist.

Aufbau einer Bandscheibe

Aufbau einer Bandscheibe

 

Abnutzung der Bandscheibe

Der äußere Faserring wird im Laufe der Jahre immer spröder und es kommt zusätzlich durch starke (z.B. schweres Heben) oder einseitige Belastungen (wie zu viel sitzen) zu kleinen Einrissen. Durch die vermehrt gebeugte Position der Wirbelsäule beim Heben und Sitzen wird der Kern immer weiter nach hinten Richtung Wirbelkanal gedrückt. 

Auch der Kern verhärtet durch die übermäßigen Belastungen und verliert zunehmend die Eigenschaft, Flüssigkeit einzuspeichern. Dadurch nimmt die Höhe der Bandscheiben ab. Dies wiederum führt dazu, dass die umliegenden Bänder nicht mehr so stark gespannt werden. Es wird dadurch ein weiteres Wandern des Kernes Richtung Wirbelkanal begünstigt.
PatientInnen sind oft schockiert, dass „eine falsche Bewegung" ausreicht, um einen Bandscheibenvorfall hervorzurufen. Das dem jedoch ein jahrzehntelanger Prozess der Abnutzung und Fehlbelastung voran gegangen ist, ist meist nicht bekannt.

Zudem muss hier betont werden, dass es einen deutlichen psychosomatischen Zusammenhang zu geben scheint. So kann ich aus eigener Erfahrung auch berichten, dass mehr als 90% der Bandscheibenvorfall-PatientInnen angeben, zum Zeitpunkt des Geschehens unter einer außergewöhnlichen psychischen Belastungssituation zu stehen (beruflich und/oder privater Natur).

 

Definition Diskusprolaps 

Beim Bandscheibenvorfall kommt es zu einer Vorwölbung der Bandscheibe bzw. ihres Kernes nach hinten in den Wirbelkanal hinein, die zu einer Verengung des Wirbelkanals führt. Dabei kann es auch zu einer Kompression eines oder mehreren (austretenden) Nerven kommen. 

Als Diskusprotrusion wird ein Vorwölben des Faserrings bezeichnet, von einem Diskusprolaps spricht man, wenn der Kern durch den Faserring durchbricht. Es kann dabei zu einer partiellen oder kompletten Ablösung eines Stückes des Kernes kommen, der sich dann im Wirbelkanal befindet. In diesem Fall spricht man von einer Sequesterbildung. 

Höhe des Vorfalles

Die häufigsten Bandscheibenvorfälle sind in der unteren Hals- und unteren Lendenwirbelsäule zu finden. Bezeichnet werden sie nach der Höhe der Bandscheibe, wobei hier immer ein Buchstabe für die Betroffene Region vorgestellt wird:

MRT: Bandscheibenvorfall L5/S1

MRT: Bandscheibenvorfall L5/S1

C ... cervikale Bandscheibe (Halswirbelsäule)

T ... thorakale Bandscheibe (Brustwirbelsäule)

L ... lumbale Bandscheibe (Lendenwirbelsäule)

S ... sakrale Bandscheibe (Kreuzbein)

Bspl. Bei einem Diskusprolaps C5/C6 ist nun also die Bandscheibe zwischen 5. und 6. Halswirbel betroffen, während ein Vorfall L5/S1 den Diskus zwischen 5. Lendenwirbel und Kreuzbein meint. 


Symptome 

Bei genauerem Nachfragen geben PatientInnen in der Anamnese (Erstgespräch) meist an, über viele Jahre hinweg immer wieder Rückenschmerzen gehabt zu haben. Ein stärker werden der Schmerzen kann plötzlich auftreten oder sich schleichend entwickeln. Auch haben nicht alle PatientInnen mit Bandscheibenvorfall Schmerzen. Manche zeigen ausschließlich die Symptome, die durch die Kompression der nervalen Strukturen auftreten. Folgende Symptome können einseitig oder auch beidseitig (durch Einengung der Nerven oder Nervenwurzeln, je nachdem wo die Bandscheibe den Wirbelkanal einengt) an den Armen, Beinen oder dem Rumpf auftreten:

1 Parästhesien: Missempfindungen in Form von Kribbeln, Brennen etc. 

2 Anästhesien: Gefühlsstörungen der Haut - die PatientInnen spüren bestimmte Abschnitte der Haut dumpfer oder gar nicht mehr.

3 Hypästhesien: Oftmals sehr starke Schmerzen in den Extremitäten oder dem Rumpf, die sich scharf oder elektrisierend anfühlen und die PatientInnen auch psychisch stark belasten (Nervenkompressionsschmerz).

4 Schwäche: kann in den Armen und Beinen an bestimmten Muskeln auftreten und muss unbedingt (wie alle Symptome oben) von einem Arzt abgeklärt werden.

Alle Symptome können zusätzlich zu starken Rückenschmerzen oder auch isoliert auftreten. Sie können dauerhaft vorhanden sein oder bei bestimmten Bewegungen oder Positionen plötzlich einschießend auftreten. 


Diagnose 

Bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall empfiehlt es sich, direkt bei einem Orthopäden Rat zu suchen. Dieser ist in der Lage Untersuchungen wie etwa ein MRT (Magnetresonanztherapie) zu veranlassen bzw. mit bestimmten Tests den Verdacht zu bestätigen oder zu widerlegen. In einem Röntgen ist ein Bandscheibenvorfall oft nicht zu sehen. Spezialuntersuchungen wie MRT und CT (Computertomographie) sind für eine differenzierte Diagnose gut geeignet. Es kann eindeutig festgestellt werden, ob und auf welcher Höhe es einen Bandscheibenvorfall gibt und ob zusätzlich eine Nervenkompression besteht.

Zeigen PatientInnen keine Symptome einer Nerveneinengung ist es nicht unbedingt immer nötig, solche teuren Untersuchungen zu machen, da sich die Therapie ohnehin nach den Symptomen richtet und weniger nach den Ergebnissen der bildgebenden Verfahren. Und nicht immer sind die Symptome auch wirklich durch die vorgetretene Bandscheibe verursacht. In Studien konnte festgestellt werden, dass viele Personen mit Bandscheibenvorfällen überhaupt völlig symptomfrei sind. Warum also die Beschwerden auftreten muss immer individuell betrachtet werden und kann nicht nur durch Bilder bestimmt sein.


Konservative Therapie 

Die Erfolgsquote der konservativen Therapien, wie etwa Physiotherapie und Osteopathie, ist bei Bandscheibenvorfällen sehr hoch. Nur in seltenen Fällen ist ein chirurgischer Eingriff nötig. Zuerst ist es wichtig, die Umgebungsfaktoren genau zu analysieren und Maßnahmen zu ergreifen, um der Bandscheibe dabei zu helfen, wieder vermehrt Flüssigkeit einzulagern und zu regenerieren. Ein Wechsel zwischen Ruhe (in symptomfreier oder -armer Position liegen) und sanfter Belastung (kurzes gehen) ist wichtig, damit die Bandscheiben im Wechsel be- und entlastet werden. Bestimmte Übungen helfen dabei, die kleinen gelenknahen Muskeln zu aktivieren und dadurch die Wirbelsäule zu zentrieren (d.h die Bandscheiben wieder in die richtige Richtung bewegen). Manuelle Techniken helfen, die verspannten Strukturen zu lockern. Die Muskeln in der Umgebung versuchen wortwörtlich verkrampft die Wirbelsäule zu stabilisieren, bringen dabei aber meist noch mehr Druck auf die Strukturen und verstärken die Symptome. 


Operation

Eine Operation sollte nur in Erwägung gezogen werden, wenn eine konservative Therapie keine Erfolge erzielt bzw. einer der unten angeführten Gründe (siehe absolute Operationsindikationen) besteht.
Länger bestehende Gefühlsstörungen oder starke Schwächen sollten unbedingt mit einem Neurochirurgen abgeklärt werden, da eine länger bestehende Kompression der Nerven zu irreversiblen (nicht wieder rückgängig machbare) Schäden führen kann. Sollte eine Operation unausweichlich sein, so empfiehlt es sich, TherapeutInnen oder ÄrztInnen Ihres Vertrauens um eine Empfehlung zu bitten. Neurochirurgen spezialisieren sich oft auf eine bestimmte Region (wie beispielsweise die Halswirbelsäule) und sind dann auch nur genau in diesem einen Bereich die Spezialisten. 

Absolute Operationsindikationen betreffen vor allem das “Cauda-Equina-Kompressions-Syndrom”. Dabei kommt zu einer massiven Quetschung der Cauda-Equina (lat. Pferdeschwanz). es handelt sich dabei um den untersten Bereich des Rückenmarks, der pferdeschwanzartig bis zum Kreuzbein hinunter zieht.
Folgende Symptome sind kennzeichnend:

  1. Reithosenanästhesie: Taubheitsgefühle im Bereich der Genitalien und der Innenseite beider Oberschenkel entsprechend dem Areal einer Reiterhose.

  2. Harn- und/oder Stuhlinkontinenz: Eine davor nicht vorhandene Schwäche die Blase und/oder den Darmverschluss zu kontrollieren und damit einhergehender Verlust von Harn oder Stuhl.

  3. Impotenz, die gemeinsam mit den Beschwerden neu aufgetreten ist.

Diese Symptome deuten auf einen medizinischen Notfall hin und gehören sofort schulmedizinisch in einer Spezial- oder Notfallambulanz abgeklärt. 

Bei starken Muskelausfällen oder großflächigen Gefühlsstörungen kann ebenfalls eine Operation nötig sein. 

 
 
blogjohanna hocher